Auszeit – Aus der Zeit
So wie meine Uhr, die ist auch aus der Zeit. Sie ist mir beim Reisen auf den harten Steinboden gefallen. Ich dachte schon, sie geht nicht mehr. Doch sie funktioniert. Nur ist sie aus der Zeit gefallen; zumindest etwas. Die Zahlen 2, 3, 8, 1 von 10 und 11 sind weggefallen. Nein, nicht auf den Boden. Der Uhrdeckel hat die Zahlen aufgefangen und nun bewegen sich lose bei jeder Handbewegung. Die Uhr ist deswegen auch schon stehengeblieben. Die 2 hat sich beim Zeiger verklemmt. Wie ein Angelhaken hat sich um den Sekundenzeiger geschlungen und die Uhr gestoppt. Da half nur noch, den Zeiger mechanisch zu verstellen und die Uhr lief weiter.
Die ganze Uhrengeschichte passt zu meiner Auszeit. Die Stunden und Minuten eines Tages nicht so ernst nehmen. Auch warten können, ohne ungeduldig zu werden. Das Warten ist in Zentral- und Südamerika an der Tagesordnung. Hier ticken die Uhren anders.
Warten vor dem Bus, bis wir einsteigen können ist normal. Warten im Bus, bis der Fahrer sich entscheidet abzufahren. Wenn der Motor gestartet wird, heisst es noch lange nicht, dass abgefahren wird. Der Chauffeur lässt den Motor immer vorher warmlaufen. Nicht weil es kalt wäre, einfach so.
Das Prinzip der privaten Busunternehmen beruht darauf, möglichst mit gefülltem Autobus losfahren. Es existieren keine Busfahrpläne. Auf die Frage, wann der Bus abfährt, erhält man die Antwort: »cinquo minutos-In fünf Minuten.» Was nicht wörtlich zu nehmen ist. Es bedeutet wie es ein amerikanischer Tourist lachend schilderte: « In fünf Minuten und einer Stunde dazu!» Das Prinzip ist einfach. Je länger auf die Rückfahrt wartet wird, desto mehr Leute steigen in den Bus und umso mehr wird bezahlt. Für den Fahrer ist das kein Problem. Er kennt alle Leute, schäckert mit einer hübschen Frau, holt sich ein Bier am Getränkestand und tauscht den neusten Klasch aus. Er selber fährt den Bus. Mit den Details wie Billete lösen, Gepäck verstauen, Plätze an Fahrgäste zuweisen ist er nicht zuständig. Dafür hat er einen jungen Mann angestellt, der das erledigt. Wenn zuviel Personen im selben Bus fahren wollen, gibt es Stehplätze.
Das alles braucht seine Zeit und aus den fünf Minuten werden fünfzig Minuten. Was solls, alle sind im Urlaub und haben Zeit oder? Erstaunlicherweise schimpft niemand, die Touristen nicht, weil sie glücklich darüber sind, dass sie überhaupt einen Platz bekommen. Die Einheimischen erst recht nicht, die sind sich das Warten gewöhnt.
Da stört es niemanden, wenn zwischendrin immer wieder angehalten wird, Leute ein- und aussteigen. Egal, ob eine Haltestelle da ist oder nicht. Jeder, der mitfahren will hebt die Hand und fragt den Chauffeur, wohin er fährt. Und da gibt es auch Busfahrer, die wirklich alles für ihre Fahrgäste tun. Die leere Gasflasche passt in den Bus. Das Problem ist nur, wo kann sie gegen eine volle Flache eingetauscht werden? Im ersten Laden geht es nicht, also wieder in den Bus und weitergefahren zum nächsten Shop. 20 Personen im Auto warten geduldig auf die Weiterfahrt. Den Chauffeur stört diese Unterbrechung nicht, er geht ebenfalls zum Laden hinüber. Da kann er doch noch einen kleinen Schwatz machen. Beim dritten Anlauf klappt es dann. Die neue Gasflasche konnte gekauft werden und die Fahrt geht weiter.
Der betagten Frau wird die Tasche nicht nur aus dem Bus gereicht, die Ladung wird ihr auch noch vors Haus gestellt. Ritterlich. Und wieder warten alle andern Reisenden.
Ach, manchmal hat meine Geduld wirklich Grenzen. Soviel Unpünktlichkeit ist für mich schwer zu ertragen.